ARTY SHOW – Schaufenstertheorie
Die Kunst, einen Blick zu fesseln, die Macht, eine Geschichte zu erzählen!
Kunst im Schaufenster ist ein Experimentierfeld abseits der gewohnten Ausstellungsterritorien. Sie unterliegt anderen Rahmenbedingungen als klassische Ausstellungsräume. Ein leeres Schaufenster kann genauso viel Unbehagen auslösen wie ein weisses Blatt Papier.
Der Erfolg der Inszenierung zeigt sich in Echtzeit – durch die Reaktion der Passantinnen und Passanten. Einen „Wahoo“-Effekt zu erzielen ist schwierig in einem Umfeld voller Reize wie der Strasse.
Visual Merchandising – was ist das eigentlich ?
Das Design im Visual Merchandising steht im Zentrum der Beziehung zwischen Herstellern von Produkten, Anbietern von Dienstleistungen oder kommerziellen Aktivitäten und den Konsumentinnen und Konsumenten. Es vereint künstlerische, technische, wirtschaftliche, rechtliche, soziale und ökologische Dimensionen.
Das Design im Visual Merchandising berücksichtigt die Anforderungen von Marketing, Entwicklung und Wirtschaft, um ein ansprechendes Umfeld zu schaffen – etwa in Verkaufsräumen, bei der Präsentation von Produkten und Dienstleistungen, in der Ausstellungsgestaltung oder bei kulturellen Veranstaltungen.
Visual Merchandising umfasst alle Techniken zur optimalen Präsentation und Hervorhebung von Produkten im Verkaufsraum. Ziel ist es, Passantinnen und Passanten anzusprechen – durch sympathische, einladende Botschaften zum Kauf.
Das Schaufenster
Das Schaufenster ist eine Glasscheibe zwischen Innen- und Aussenraum. Es ist das erste Element, das eine potenzielle Käuferin oder ein potenzieller Käufer wahrnimmt. Schaufenster sind sehr wirkungsvolle Werbeflächen.
Tag und Nacht bietet sich hier die Chance, aus einem Vorübergehenden eine Kundin oder einen Kunden zu machen. Beleuchtung, Farben, Hintergrund, Accessoires, Schriftzüge, Podeste, Schaufensterpuppen – nichts wird dem Zufall überlassen.
Wie funktioniert ein Schaufenster ?
Ein Schaufenster spiegelt die Attraktivität und Dynamik eines Geschäfts wider. Es muss Lust auf mehr machen und zum Markenbild passen. Es ist ein Marketinginstrument, das unterschiedliche Ebenen der Lesbarkeit bietet – je nach Tempo und Häufigkeit der vorbeigehenden Passantinnen und Passanten.
Im Durchschnitt verweilt der Blick einer Person nur drei Sekunden auf einem Schaufenster. Man muss den Blick einfangen !
Die Gestaltung folgt klaren Regeln: Wiederholung von Formen, Hierarchie der Botschaften, Farbkontraste, Symmetrie. Visuelle Brennpunkte lenken die Aufmerksamkeit gezielt auf das Hauptelement der Inszenierung und setzen bestimmte Produkte in Szene.
Es ist entscheidend, den Blick nicht auf Nebensächlichkeiten zu lenken und ein Schaufenster nicht mit überflüssigen Elementen zu überladen. Leere Flächen sind notwendig.
Die Psychologie der Farben
Farben erzeugen Emotionen, wecken Interesse und schaffen Bedürfnisse. Studien, wie die der Universität Winnipeg „Impact of Color on Marketing“, zeigen, dass bis zu 90 % der Kaufentscheidungen von der Farbgestaltung beeinflusst werden können.
Rot: Aktionen, Rabatte, aggressive Kommunikation
Orange: Günstige Preise, Dynamik
Grün: Natur, Bio, fair gehandelt
Blau: Frische Produkte, Regionalität, Vertrauen
Gold: Exklusive, hochwertige Produkte
Schwarz: Modern, luxuriös, anspruchsvoll
Z-Lesemuster im Schaufenster
Ein Schaufenster wird im sogenannten Z-Muster gelesen. Das Auge springt von links oben nach rechts unten über verschiedene visuelle Fokuspunkte.
Pyramiden-Merchandising
Eine der gebräuchlichsten Visual-Merchandising-Techniken ist der Aufbau in Pyramidenform. Ein zentrales Hauptelement wird von kleineren Produkten flankiert – dies gibt der Präsentation eine klare Struktur und hebt das Hauptprodukt hervor.
Legendäre Schaufenster
In den 1990er Jahren holte Gene Moore über 900 Künstlerinnen und Künstler – darunter Andy Warhol – zur Gestaltung der Schaufenster des New Yorker Kaufhauses Bonwit Teller. Diese Fenster wurden zu einer echten Erweiterung der zeitgenössischen Kunst – ein Zusammenspiel von künstlerischem Ausdruck und kommerzieller Inszenierung.
In jüngerer Zeit entwarf der Designer Tokujin Yoshioka ein poetisches Schaufenster für Hermès in Tokio. Louis Vuitton liess sich für eine seiner Präsentationen vom „Jardin des Plantes“ inspirieren. Ebenso präsentierten Viktor & Rolf in Mailand ein spektakuläres, buchstäblich auf den Kopf gestelltes Schaufenster, das durch Umkehrung der Perspektive überraschte.
Fazit für ein gelungenes Visual Merchandising
In die Rolle der Passantin oder des Passanten schlüpfen
Im Hier und Jetzt agieren
Sich ständig erneuern und innovativ denken
„Ohne Ungehorsam keine Innovation.“
Bibliographie
Benaiteau, Carole. Concevoir et réaliser une exposition: les métiers, les méthodes. Paris : Eyrolles, 2012.
Broto, Carles. Magasins superb shops. Barcelone : Links, 2007.
Ebster, Claus, und Marion Garaus. Store Design and Visual Merchandising: Creating Store Space That Encourages Buying. 2nd Ed. New York : Business Expert Press, 2015.
Fauchille, Stéphane. La décoration événementielle. Paris : Eyrolles, 2010.
Hughes, Philip. Scénographie d’exposition. Paris : Eyrolles, 2010.
Locker, Pam. Conception d’exposition. Paris : Pyramyd, 2011.
Mesher, Lynne. Design commercial. Paris : Pyramyd, 2011.
Tucker, Johnny. Esthétique commerciale: Design & identité. Paris : Pyramyd, 2003.
« Alle Kaufhäuser werden zu Museen und alle Museen werden zu Kaufhäusern. »
